ARAKAWA - UNDER CONSTRUCTION entstand 2009 als Widmungsarbeit zum 85. Geburtstag von Eugen Gomringer im Januar 2010 und zugleich auf Anregung von Alan Prohm/University of Art and Design Helsinki/FIN für die AG3: ONLINE – The Third International Arakawa and Gins: Architecture and Philosophy Conference, March 12 – 26, 2010 (Griffith University Brisbane/Australia + University of New Orleans Press). Shusaku Arakawa hatte bereits Anfang der 1960er Jahre ein bemerkenswertes Projekt „The Mechanism of Meaning“ als ein „work in progress“ geschaffen, das mit vielen Elementen in die Nähe der Visuellen Poesie führte.
Im Zentrum der Arbeit steht das Quadrat, das in vielen meiner Sequenzen eine große Rolle spielt – als Ordnungssystem, als magische Bühne. Es handelt sich um ein Quadrat aus neun kleineren Quadraten (- ich zähle die Quadrate fortlaufend von links nach rechts 1. Reihe: 1, 2, 3; 2. Reihe: 4, 5, 6 und 3. Reihe: 7, 8, 9). Diese Figur wurde bestimmt durch die Zahl 3 im Namen Shusaku Arakawa (der Vor- und Nachname enthält jeweils drei Silben). Die Zahl 9 bestimmt zugleich die Anzahl der Seiten der Sequenz, die zusammen mit der Titel- und der Schlußseite 11 Seiten umfaßt. Jedes dieser neun Quadrate enthält eine Silbe des Namens Shusaku Arakawa, wobei die Mitte frei bleibt und die Quadrate 7 und 9 die Verkürzungen der Quadrate 1 und 3 darstellen und sich somit in den Diagonalen die Regelmäßigkeit ergibt, dass 1 und 9 jeweils drei Buchstaben und 3 und 7 jeweils zwei Buchstaben enthalten. In der Senkrechten ergibt sich, dass in 3 und in 7 jeweils das A von 1 und 9 fehlt, und beide mit dem Mittelbuchstaben R bzw. W beginnen. Wie Arakawa wurde auch Shusaku der Leserichtung nach von links nach rechts mit seinen drei Silben auf die Quadrate aufgeteilt – mit der Besonderheit, dass SA auf das 8. Quadrat abgesenkt wurde, um die Mitte, die auch im Laufe der Sequenz Funktionsaufgaben übernimmt, für das Titelblatt frei zu halten. Aus dieser formalen Struktur ergibt sich die Abfolge der Sequenz, in der mit dem Quadrat 6 (eine Art archimedische, architektonische und thematische Mitte) begonnen wurde und fortschreitend immer mehr Quadrate hinzukamen. Allerdings auch hier wieder nach einem bestimmten Prinzip: Ein Quadrat wird auf einer Seite thematisiert. Es folgen zwei Quadrate auf zwei Seiten, drei Quadrate auf vier Seiten, vier Quadrate auf einer Seite, acht Quadrate auf einer Seite. Daraus ergeben sich vier Abschnitte, die inhaltlich von Bedeutung sind: Abschnitt 1: Seite 1 mit dem bedeutsamen KU; Abschnitt 2: Seite 2, 3; Abschnitt 3: Seite 4, 5, 6, 7; Abschnitt 4: Seite 8, 9. Dabei ist zu beachten, das formal Abschnitt 3 un Abschnitt 4 jeweils die gleiche Anzahl der Quadrate aufweisen, nämlich 12. Es gibt weitere formale Besonderheiten, die sich aus den Reihungen ergeben und für das Aufschlüsseln des Inhalts von gewisser Bedeutung sind. Die Sequenz benutzt im wesentlichen die deutsche und japanische Sprache und macht sich zunutze, dass einzelne Silben wie KU, KA, SA usw. im Japanischen mehrfache Einzellesungen besitzen. Dazu wurde berücksichtigt, dass auch Silbenkombinationen wie SAKU oder KAKU wieder neue Lesungen ergeben, und schließlich, dass neben der Silbenschrift auch Kanjis mit ihren Bedeutungen aufgenommen wurden: - alle gestempelt. Daraus ergab sich ein Bedeutungsnetz, dass die erste Sprachebene darstellt. Die zweite Sprachebene wird aus den Collageteilen gebildet, die zum Teil in Abwandlungen innerhalb der Sequenz wieder auftauchen und mit der ersten Sprachebene korrespondieren. Schließlich gibt es eine dritte Ebene, die einmal von der Handschrift in deutscher Sprache bestimmt wird und eine Art poetischer Kommentar ist, und zum anderen geschnittene deutsche Wort- und Satzelemente am Fuß der Seite enthält, die als eine Art Anweisungs- Kommentar betrachtet werden könnte.
Schließlich besitzen alle grafischen Elemente in der Sequenz Korrespondenz- Bedeutungen innerhalb der Seite und von Seite zu Seite, wie jede Seite ihre eigene Geschichte erzählt und zugleich Teil einer fortlaufenden Geschichte ist. Dabei werden einzelne Sprachelemente der drei Sprachebenen (besonders auf der Collage-Ebene) neu definiert als „Satz“-Elemente, man könnte auch sagen: als Teile einer nur in der ARAKAWA-Sequenz gültigen Grammatik. Diese Definitionen sind sehr persönlich und mit der eigenen Biografie (z. Bsp. mit Erlebnissen in Japan, Studien der japanischen Sprache und der eigenen Theorie Visueller Poesie) verbunden und insofern nicht allgemeingültig, was schließlich diese – wie viele meiner Sequenzen zu einem Rebus macht.
(Klaus-Peter Dencker, Februar 2010)
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